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Angamardana

Zitat von Sadhguru aus dem Buch Inner Engineering: A Yogi’s Guide To Joy:

„Drei Monate nachdem ich mit Yoga begonnen hatte, wachte mein Körper jeden Morgen ohne jede äußere Aufforderung um 3:40 Uhr auf, was auch heute noch der Fall ist. Nach dem Aufwachen fanden meine Praktiken einfach statt, egal wo und in welcher Situation ich mich befand – ohne einen einzigen Tag Unterbrechung. Dieses einfache Yoga, das Angamardana genannt wird (ein System des körperlichen Yoga, das die Sehnen und Gliedmaßen stärkt), hob mich definitiv von allen anderen Menschen ab, sowohl körperlich als auch geistig. Aber das war auch schon alles. Zumindest glaubte ich das.“ 

Teil 1:

Beherrschung deiner Gliedmaßen

Angamardana ist eine Abfolge von 31 dynamischen Prozessen, um den Körper zu stärken und höchste körperliche Fitness zu erreichen. Angamardana bedeutet wörtlich, die vollständige Beherrschung über Gliedmaßen, Organe und andere Teile des Körpers zu erlangen. Es belebt alle Systeme des Körpers, wie etwa das Muskel-, Skelett-, Nerven-, Kreislauf- und Atmungssystem. Hier spricht Sadhguru über das phänomenal kraftvolle System, das sowohl den physischen als auch den Energiekörper trainiert.

Sadhguru: Angamardana ist ein einzigartiges Yogasystem, das heutzutage fast vollständig verloren gegangen ist. Traditionell war Angamardana im klassischen Yoga immer lebendig. Es ist nicht wie Yogasanas, es ist eine sehr intensive Übung, für die man keine Ausrüstung braucht. Du benutzt nur deinen Körper und baust eine ganz andere Ebene der körperlichen Stärke und Zähigkeit auf.

 Bei Angamardana nutzt du das eigene Körpergewicht und -momentum, um die Flexibilität des Muskels über einen gewissen Zeitraum zu erhöhen. Es ist ein nur 25-minütiger Prozess, so wie er heute von uns unterrichtet wird, und in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden kann er Wunder bewirken. Es ist ein phänomenaler Prozess, der so vollständig ist. Alles, was du brauchst, ist ein Platz von 2×2 Metern; dein Körper ist alles. Du kannst du es machen, egal wo du bist. Es ist beim Aufbau des Körpers genauso effektiv wie jedes andere Krafttraining mit Gewichten und verursacht keinen unnötigen Stress im System.

 Selbst wenn du es nur als eine Übungsform betrachtest, wird Angamardana den Test definitiv bestehen. Aber Stärkung der Muskeln und Senkung des Körperfettanteils sind nur Nebeneffekte. Das Wichtigste bei jeglichem Sadhana, das du ausübst, ob es sich um Angamardana oder etwas anderes handelt, ist, dass wir versuchen, das Energiesystem auf eine bestimmte Energieebene und Integrität der Energie zu bringen. Es geht darum, sich in einen Zustand zu versetzen, in dem das System voll funktionsfähig ist. Denn nur wenn es voll funktionsfähig ist, kann es auf eine höhere Ebene der Wahrnehmung gebracht werden. Ein halber Körper oder ein halbes Wesen kann nicht auf eine volle Wahrnehmungsebene gebracht werden.

 Das Wort „Angamardana“ bedeutet, Beherrschung über deine Gliedmaßen oder Körperteile zu haben. Was auch immer du in dieser Welt tun willst, wie gut du deine Gliedmaßen beherrschst, bestimmt, wie gut du es tun wirst. Ich spreche nicht von Handlungen im Sinne von einem Beitritt zu einer Sportmannschaft oder Ähnlichem. Ich unterscheide zwischen Handlungen, die du zum Überleben tust, und Handlungen, die du zur Befreiung tust. Wenn du etwas für deine Befreiung und vor allem für die Befreiung aller anderen um dich herum tun willst, solltest du eine gewisse Beherrschung über deine Gliedmaßen haben. Beherrschung der Gliedmaßen muss nicht unbedingt bedeuten, dass man muskulös wird oder auf einen Berg klettern kann. Das kann auch passieren, aber es geht im Grunde darum, die Energiestruktur des Körpers zu stärken.

 Um eine Analogie zu nennen: Wenn ein Mensch an dir vorbei geht, kann man allein an der Art, wie er geht, deutlich erkennen, ob sein Körper gut trainiert ist oder nicht. Wenn man sich das Gesicht eines Menschen ansieht, kann man erkennen, ob sein Geist gut trainiert ist oder nicht. Gleichermaßen kann man, wenn man genau hinschaut, sehr deutlich erkennen, ob die Energie eines Menschen gut trainiert ist oder nicht. Was Menschen leisten können und was sie nicht leisten können, wird dadurch bestimmt. Vollkommene Beherrschung zu haben bedeutet, dass man seine Energien zum Knistern bringen kann. Wenn du einfach nur hier sitzt, wird der Körper irgendetwas tun; du aber musst nicht anfangen irgendetwas zu tun.

 Damit sich Gnade übertragen kann, brauchst du einen geeigneten Körper. Wenn du keinen geeigneten Körper hast und die Gnade im großen Stil auf dich herabkommt, wirst du nur durchbrennen. Viele Menschen möchten große Erfahrungen, aber sie sind nicht dazu bereit, ihren Körper zu transformieren, um diese Erfahrungen machen zu können. Beim Yoga jagt man nicht nach einer Erfahrung, man bereitet sich nur vor. Wenn dein spiritueller Prozess mehr ist als nur Gerede, dann solltest du deine Gliedmaßen beherrschen.

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Teil 2:

Die Anatomie von Angamardana

Sadhguru erläutert, wie Angamardana Widerstandsfähigkeit aufbaut und die Grundstruktur des Körpers stärkt.

Sadhguru: Wenn du Angamardana auf die nächste Stufe bringen willst, muss dein Körper sehr geschmeidig werden – andernfalls könntest du einen Bänderriss erleiden. Angamardana wirkt mehr auf die Bänder und Sehnen des Körpers als auf die Muskeln. Es ist nicht wie das Heben von Gewichten. Gewichtheben baut Muskeln auf. Wenn du Angamardana machst, wird die Last auf den Bändern und Sehnen liegen. Die Bänder, die das Skelettsystem und die Muskeln zusammenhalten, werden am meisten gedehnt. Aus diesem Grund verleiht Angamardana eine andere Art von Stärke und Widerstandsfähigkeit.

Stärkung der Grundstruktur

Wenn du Muskeln über einen bestimmten Punkt hinaus aufbaust, wirst du viel Schlaf benötigen. Der Körper muss zu viel unnötige Arbeit leisten. Wenn du sehr muskulös wirst, kannst du nicht mit geschlossenen Augen dasitzen. Wenn du Stärke und Widerstandsfähigkeit suchst, musst du die Grundstruktur deines Körpers stärken. Das ist genau das, was Angamardana macht. Wenn du dich plötzlich überdehnst und dir einen Bänderriss zuziehst, wird er nicht so leicht heilen. Ein gebrochener Knochen kann innerhalb von sechs Wochen heilen. Ein gerissenes Band ist viel schwieriger zu heilen, weil es die Skelettstruktur zusammenhält. Diese Stärkung nimmt Zeit in Anspruch. Nach mindestens dreißig Monaten täglicher Praxis ist der Körper mancher Menschen bereit für fortgeschrittenes Angamardana. Die fortgeschrittenen Praktiken beinhalten Dehnungen bis ins Extreme, was für das normale Leben nicht notwendig ist. Dies wäre nur für jemanden erforderlich, der zum Beispiel ohne Seile klettern möchte.

Als ich jung war, konnte ich so ziemlich alles hochklettern. Ein kleiner Griff von einem Zentimeter Tiefe genügte mir. Die gesamte Last des Körpers befand sich auf diesem kleinen Bereich. Ich habe das schon oft gesagt – als ich zwölf Jahre alt war, sah ich einmal einen über siebzigjährigen Mann, der schneller als ich einen 15 Meter tiefen Brunnen hinaufkletterte und das an Griffen, die gerade so tief waren, dass man sie mit den Fingerspitzen greifen konnte. Im Vergleich zu mir hatte er seinen Körper offensichtlich viel besser vorbereitet. Zu dieser Zeit hatte ich noch kein Angamardana gemacht. Mein Training bestand nur darin, auf jeden Baum und jedes Gebilde zu klettern, das ich sah. Er hatte sich systematisch trainiert.

Auch traditionelle Kampfsportarten wie Kalaripayattu erfordern diese Art der Kräftigung, um kämpfen zu können, ohne das System zu schädigen. Boxer und American-Football-Spieler leiden im späteren Abschnitt ihres Lebens oft an neurologischen Problemen – wie Muhammad Ali und viele andere. Mit einem starken Siegeswillen werden solche Menschen eine Zeit lang erfolgreich sein, aber ihr System wird Schaden nehmen. Das soll kein Urteil über sie sein – sie sind auf ihre eigene Weise großartig. Es ist nur so, dass man ihnen zu oft auf den Kopf geschlagen hat. Nicht nur das – auch das ständige Schlagen auf etwas kann eine schädigende Wirkung auf das eigene System haben. Selbst wenn die Muskeln stark sind, ist die Stärkung der Grundstruktur des Körpers eine andere Angelegenheit.

In den Himalaya-Regionen Indiens und Nepals sieht man Frauen, die kaum 1,40 m bis 1,50 m groß sind, gebrechlich und unterernährt aussehen. Diese Frauen wiegen vielleicht nicht mehr als 45 Kilogramm, aber sie tragen eine Ladung Holz oder andere Dinge, die 65 bis 70 Kilogramm schwer sind. Ihr System ist so stark geworden, weil sie von klein auf in den Bergen leben und die Berghänge hinauf- und hinuntergelaufen sind während sie Lasten tragen. Du solltest die Sherpa-Jungen sehen, die mit uns auf den Kailash-Trek kommen. Als wir einmal den Thorong-La-Pass bestiegen, der sich auf einer Höhe von 5.430 Metern befindet, schnappten die Teilnehmer bei jedem Schritt nach Luft. Ich kam weit besser zurecht als die meisten in der Gruppe, aber diese Sherpa-Jungs, die uns begleiteten, trugen das gesamte Gepäck, die Gasflaschen, die Kochausrüstung usw. zusätzlich zu allem anderen. Als wir dort ankamen, setzten wir uns alle hin, froh, dass unsere Herzen nicht versagt haben, und warteten darauf, dass sich unsere Atmung und unser Herzschlag beruhigten. Die Jungs warfen das Gepäck hin und fingen sofort an, herumzurennen, sich gegenseitig zu jagen, aufeinander zu springen, zu rangeln und sich zu wälzen, einfach aus Spaß – in dieser Höhenlage. Das ist die Art von Widerstandsfähigkeit, die von Kindheit an aufgebaut ist. Das sind nicht nur aerobe Fähigkeiten – ihre Grundstruktur des Lebens ist stark.

Eine andere Ebene der Stärke

Gleichermaßen wird mit Angamardana eine andere Ebene der Stärke aufgebaut. Es geht dabei nicht um den Aufbau von Muskeln, sondern um die Stärkung der Bänder. Wenn du die einmal gestärkt hast, werden sie dich ein ganzes Leben lang in Schuss halten. Das reguläre Angamardana, das wir unterrichten, erfüllt diesen Zweck perfekt. Wenn du die Praktik intensivieren willst, kannst du sie zweimal nacheinander machen. Manche Leute denken vielleicht sie sind fit genug, um Angamardana auf die nächste Stufe zu bringen, aber wenn du genauer hinsiehst, wirst du sehen, dass der Fluch der modernen Zivilisation darin besteht, dass der Mensch seine Form verliert. Dennoch werden wir irgendwann die nächste Stufe von Angamardana einführen, aber nur, wenn die Menschen engagiert genug sind, ihr System angemessen vorzubereiten.

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